Herr Bilbo. Wir sind Colette & Denise
06 Jul

Herr Bilbo. Wir sind Colette & Denise

Oder: Wie das Frauli auf’s Hunderl gekommen ist 

Mein lieber Herr Bilbo,

Was ich dir einmal sagen muss: Du g’fällst mir wirklich gut – einen feschen blonden Griechen sieht man ja jetzt wirklich nicht alle Tage! Ich finde dein G’schichterl herzzereissend – gerettet vom Müllplatz aus dem Süden! Wie versprochen in meinem letzten Brief, möchte ich dir jetzt auch gerne etwas über mich erzählen:

babycolette
Babycolette. So süss. So niedlich. Zum Anbeissen.

Geboren bin ich im österreichischen Fürstenfeld in der Steiermark. Meine Eltern stammen beide aus Ungarn – über den Papa weiss ich, dass ihn eine Tierfreundin aus schlechter Haltung freigekauft hat – wir Tiere zählen dort unten ja leider wirklich nicht viel. Und meine Mama wurde von derselben Dame ebenfalls aus Ungarn mitgenommen. Mama und Papa waren beide noch klein, deshalb durften sie zusammen spielen und toben. Nur vergass die Hundefreundin zu beachten: Wir kleinen Hunde können schon relativ früh Welpen bekommen – manche Weiberl haben schon mit fünf Monaten ihre erste Läufigkeit. Und so ist er dann passiert, der «Unfall»: Ich und meine drei G‘schwisterl. Da unsere Eltern Ungarn sind, sind wir Migranten der zweiten Generation, sozusagen.

Das Frauli hat das erste Mal von mir in einer Kleinanzeige im Internet gelesen: «Chihuahuas zu vergeben!», hiess es da. Eigentlich wollte das Frauli nicht unbedingt einen Chihuahua, aber eines stand für sie fest: Sie wollte ein Hunderl haben. Sie ist gar zu viel traurig gewesen und auch ein bisserl allein. Da dachte sie halt, ein Hunderl könne ihr Leben bereichern und sie ein bisserl ablenken. Herr Bilbo, du weisst ja, dass wir das können. Und wie wir das können. Wenn jemand traurig ist, dann spüren wir das sofort und dann werden wir zu Clowns, sodass gar niemand mehr schlecht drauf sein sein kann.

Dank Kleinanzeige fand ich mein Frauli
Zu der Zeit hatte sich das Frauli schon mit verschiedenen Tierheimen in Verbindung gesetzt gehabt, aber da das sie relativ jung ist und eben damals noch Schülerin war, hat man sie nirgends so recht ernst genommen. Das ist eigentlich auch gut so, dass nicht jeder Dahergelaufene einem Hunderl ein z’Haus‘ geben darf, aber manchmal trifft es dann halt die falschen Menschen. Aber es hat halt so sein sollen!

Dann ist sie zu der in der Kleinanzeige genannten Adresse hingefahren, um mich und meine G’schwisterl anzuschauen. Von meiner Wurfbox aus, in der ich damals mit meinen knapp vier Wochen noch lag, hörte ich eine Stimme, die fragte: «Ich hab‘ g’hört, Sie haben Chihuahuas zu vergeben?». – Oh, diese Stimme, ich sag’s dir, Bilbo. Ich hab sofort gespürt, das ist mein zukünftiges Frauerl. Während meine G’schwisterl geschlafen haben, hab ich mich aufgerichtet in meiner Box und als das Frauli sich über die Box gebeugt hat, hab‘ ich’s mit meinen grossen Knopfaugerl ang‘schaut. Vorsichtig hat sie ihre Hand nach mir ausgestreckt, mir mit dem Finger über das Kopferl gestreichelt und hat sofort gesagt, nachdem man ihr berichtet hat, dass ich ein Weiberl sei: «Das ist meine Colette!» «Wollen’S die anderen Kleinen gar nicht einmal anschauen?», hat die Dame gefragt. Mein Frauli hat gelacht, den Kopf geschüttelt und sich gleich danach erkundigt, ab wann sie mich haben könne. Mit neun Wochen könne sie mich abholen, was bedeutete: Fünf Wochen Wartezeit für uns beide. Fünf Wochen! Kannst du dir das vorstellen, Herr Bilbo? Fünf laaaaaaaange Wochen. Aber: Das Frauli hat die Dame, die mich abgegeben hat, mit Kaffee und Wein bestochen, damit sie mich jeden Tag besuchen kann. Tagtäglich kam das Frauli mit Leckerlis für mich und meine G’schwisterl an. Natürlich hat es für mich von da an eine Sonderbehandlung gegeben. Die Fraulis und Chefs meiner G’schwisterl sind nicht so oft zu Besuch gekommen. Sie sagt heute oft lachend zu mir, wenn ich nicht so will, wie sie gerne hätte, dass das der Grund sei, warum ich so eine Tussi geworden bin.

Colette (Gemälde von Fernand Humbert, um 1896). Aus Wikipedia
Colette (Gemälde von Fernand Humbert, um 1896). Aus Wikipedia

Mein lieber Herr Bilbo: genau heute auf den Tag genau vor zwei Jahren kam dann das Frauli mit einem schönen roten Geschirrl aus Samt und hat mich mit zu sich nach Haus‘ genommen.

Warum ich Colette heiss‘, möchtest‘ wissen? Da muss ich dir zuerst einmal erklären, wer Colette ist – dazu sagt Wikipedia:

Colette (eigentlich Sidonie-Gabrielle Claudine Colette; * 28. Januar 1873 in Saint-Sauveur-en-Puisaye, Département Yonne (Burgund); † 3. August 1954 in Paris) war eine französische Schriftstellerin, Varietékünstlerin und Journalistin. Sie bekam als erste Frau in Frankreich ein Staatsbegräbnis.

Diese Colette ist die Lieblingsschriftstellerin meines Fraulis. Manche Nächte schon haben wir damit verbracht, dass wir in unserem grossen Ohrensessel gemeinsam g‘sessen sind und sie mir etwas von meiner Namenspatronin vorgelesen hat. Natürlich – können’s sich vorstellen – bin ich immer eingeschlafen dabei, aber ich geb‘ ihr dann immer zu verstehen, dass sie halt so eine angenehme Stimme habe, damit sie nicht grantig ist.

Warum das Frauli gerade einen kleinen Chihuahua nach der grossen französischen Autorin benannt hat, das weiss sie bis heute nicht. Sie sagt immer, sie hat mich an’g’schaut und einfach g’wusst: «Das ist meine Colette!»

denisecolette1Herr Bilbo, ich muss mich leider jetzt verabschieden! Das Frauli und ich fahren morgen ein bisserl sommerfrischeln in die Steiermark – dorthin, wo ich herkomm‘ (und das Frauli auch – wir sind sozusagen Wahlwiener)! Da gibt’s erfrischende Badeteiche für uns zwei! – Ich freu‘ mich schon so, Jetzt müssen wir aber unsere Sachen packen gehen. Ich schick‘ dir dann ein Brieferl aus der Sommerfrische.

Bussi und Baba,

Colette

3 Kommentare zu “Herr Bilbo. Wir sind Colette & Denise

  1. Bilbo der Grieche - 5. Juli 2015 at 1:15

    Es ist verdammt spät. 01.14 Uhr am Sonntagmorgen. Liebe Colette, was heisst Baba?

  2. Colette aus Wien - 5. Juli 2015 at 8:16

    Mein lieber Herr Bilbo,

    „Baba“ ist eine wienerische Abschiedsformel, die man sich unter Freunden sagt, oftmals in Verbindung mit „Bussi“, weil „Bussi und Baba“ so hübsch zusammen klingt! Fast schon poetisch, findest‘ nicht? 🙂

    In diesem Sinne : Bussi und Baba,
    Colette

  3. Bilbo der Grieche - 5. Juli 2015 at 20:02

    Na dann Bussi & Baba. Wir sind in Aosta angekommen. Der Chef hat Hunger und ich würde auf der Piazza Republica ganz gerne etwas rumbiseln.
    Bis später liebe Colette und der Chef ruft «ein Gruss für Denise»

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